Kevelaer

Zwei hessische Soldaten ziehen von ihrer Garnison in Luxemburg Richtung Geldern am Niederrhein. Im Gepäck haben sie zwei auf den ersten Blick unscheinbare identische Kupferstiche auf Papier, 7,5 x 11 Zentimeter messend, für ihren Leutnant aus der Kompanie von Mackewitz, der bei ihrer Ankunft allerdings schon als Kriegsgefangener in Kempen interniert war; er hatte bei Krefeld eine Schlacht gegen den französischen General Lamboy verloren. Wäre dies je eine Zeitungsmeldung wert gewesen? Überland auf der Kevelaerer Heide zwischen Geldern und Weeze hört ein einfacher fahrender Kaufmann bei Gebeten vor einem Hagelkreuz eine Stimme, die ihn auffordert, an besagter Stelle eine kleine Kapelle zu bauen. Einige Zeit später nimmt seine Frau nächtens wundersame Lichterscheinungen wahr, ein in Lichtfluten schwebendes Heiligenhäuschen, im Innern ein Muttergottesbild. Für das 17. Jahrhundert, in dem für jedes Jahr Visionen, Wunderheilungen, Wallfahrten oder die Gründung von Bruderschaften dokumentiert sind, wahrlich nichts Außergewöhnliches. 

(H. G. Tangemann, Marienpfade)

Erstaunlich allerdings, dass nicht nur die Visionen der Eheleute, sondern beide Stränge der Geschichte zueinander finden: Der Kaufmann Hendrik Busmann legt mühsam Stüber um Stüber beiseite und baut mit 100 Gulden eine kleine Kapelle. Mechel Schrouse (Mechel Scholt), seine Frau, erkennt in dem Traumbildchen den Kupferstich wieder, den ihr die hessischen Soldaten zum Kauf angeboten hatten. Sie reist dem mittlerweile entlassenen Leutnant hinterher und dieser findet sich tatsächlich bereit, ihr eines der Bildchen zu überlassen, als er von ihrem Traum hört. Die Luxemburger Consolatrix Afflictorum war in Kevelaer angekommen.

Foto: HGT


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